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Märchen lesen und erleben
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Der Kobold

An einigen Orten hat fast jeder Bauer, Weib, Sohn und Tochter einen Kobold, der allerlei Hausarbeit verrichtet, das Wasser in die Küche trägt, Holz haut, Bier holt, kocht, im Stall die Pferde striegelt, den Stall ausmistet und dergleichen. Wo er ist, nimmt das Vieh zu und alles gedeiht und gelingt. Noch heute sagt man sprichwörtlich von einer Magd, der die Arbeit recht rasch von der Hand geht:

"Sie hat den Kobold."

Aber wer ihn aber erzürnt, der mag sich vorsehen! Sie machen, eh sie in die Häuser einziehen wollen, erst eine Probe. Bei Nachtzeit nämlich schleppen sie Sägespäne ins Haus und in die Milchgefäße aber bringen sie Kot von unterschiedlichstem Vieh. Wenn nun der Hausvater genau achtet, dass er die Späne nicht zerstreut, der Kot in den Gefäßen gelassen und daraus die Milch genossen wird, so bleibt der Kobold im Haus, so lange, bis nur noch einer von den Hausbewohnern am Leben ist.

Hat die Köchin einen Kobold zu ihrem heimlichen Gehilfen angenommen, so muss sie täglich um eine gewisse Zeit und an einem besondern Ort im Haus ihm sein zubereitetes Schüsselchen voll gutem Essen hinsetzen und ihren Weg wieder gehen. Tut sie das, so kann sie faulenzen, am Abend früh zu Bette gehen und wird dennoch ihre Arbeit früh Morgens gemacht finden. Aber vergisst sie das einmal, so muss sie in Zukunft nicht nur ihre Arbeit selbst wieder tun, sondern sie hat nun auch eine unglückliche Hand, indem sie sich im heißen Wasser verbrennt, Töpfe und Geschirr zerbricht, das Essen umschüttet, so dass sie von ihrer Herrschaft notwendig ausgescholten wird. Darüber hat man den Kobold öfters lachen und kichern gehört.

Verändert sich auch das Gesinde, so bleibt er doch, ja die abziehende Magd muss ihn ihrer Nachfolgerin anempfehlen, damit diese sein auch warte. Will diese nicht, so hat sie beständiges Unglück, bis sie wieder abgeht.

Man glaubt, sie seien richtige Menschen, in Gestalt kleiner Kinder, mit einem bunten Röcklein. Dazu etliche sagen, dass sie teils Messer im Rücken hätten, teils noch anderes und gar gräulich gestaltet wären, je nachdem wie sie so und so oder mit diesem oder jenem Instrument vorzeiten umgebracht wären, denn sie halten sie für die Seelen der vor Zeiten im Hause Ermordeten.

Zuweilen ist die Magd lüstern, ihr Knechtchen, Kurt Chimgen oder Heinzchen, wie sie den Kobold nennen, zu sehen. Und wenn sie nicht nachlässt, nennt der Geist den Ort, wo sie ihn sehen solle, heisst sie aber zugleich einen Eimer kalt Wasser mitbringen. Da begibt sich's sich dann, dass sie ihn etwa auf dem Boden auf einem Kisschen nackt liegen sieht, und ein großes Schlacht-Messer ihm im Rücken steckt. Manche ist so sehr erschrocken, dass sie ohnmächtig niedergefallen, worauf der Kobold alsbald aufsprang und sie mit dem kalten Wasser über und über begoss, damit sie wieder zu sich selbst kam. Hiernach ist ihr die Lust vergangen, den Kobold zu sehen.