Autor: Gebrüder Grimm
Eine liebe Enkelin
Es war einmal eine liebes, nettes Mädchen, das jeder, der es auch nur ansah, sofort lieb hatte. Am allerliebsten aber hatte es ihre Großmutter, die gar nicht wußte, was sie dem Kind alles schenken sollte.
Einmal schenkte sie ihr ein Käppchen, das war von rotem Sammt. Und weil ihr das so gut stand und sie nichts anders mehr tragen wollte, nannten sie alle nur noch Rotkäppchen.
Eines Tages sagte ihre Mutter zu ihr:
Mach dich auf, bevor es heiß wird. Und wenn du gehst, sei vorsichtig und weiche nicht vom Weg ab! Sonst fällst du möglicherweise hin und zerbrichst das Glas und die Großmutter hat nichts mehr davon."
sagte Rotkäppchen zu ihrer Mutter und gab ihr die Hand darauf.
Rotkäppchen und der böse Wolf
Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihr der Wolf. Rotkäppchen wußte nicht, was er für ein böser Geselle war und fürchtete sich nicht vor ihm.
sprach er.
sagte Rotkäppchen.
Der Wolf dachte bei sich:
Er ging ein Weilchen neben Rotkäppchen her. Dann sprach er:
Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte sie:
So lief sie in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn sie eine gefunden hatte, meinte sie, etwas weiter weg stände eine noch schönere und lief dorthin. Dabei geriet sie immer tiefer in den Wald hinein.
Zum fressen gern
Der Wolf aber ging unterdessen geradeswegs zum Haus der Großmutter und klopfte an die Türe.
rief die Großmutter,
Der Wolf drückte auf die Klinke und die Türe sprang auf. Er ging, ohne ein Wort zu sprechen, geradewegs zum Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann zog er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.
Großmutter, warum hast du ...
Rotkäppchen aber hatte weiter fleißig Blumen gepflückt und als sie einen großen Strauß zusammen hatte, fiel ihr die Großmutter wieder ein und sie machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sie, dass die Türe aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihr so seltsam darin vor, dass sie dachte:
Sie rief:
aber sie bekam keine Antwort. Darauf ging sie zum Bett und zog die Vorhänge zurück. Da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gezogen und sah ziemlich wunderlich aus.
Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.
Nachdem der Wolf seinen Appetit gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fing überlaut zu schnarchen an.
Der gute Jägersmann
Als der Jäger eben an dem Haus vorbei ging, dachte er:
Da trat er in die Stube und wie er vor das Bette kam, sah er, dass der Wolf darin lag.
sagte er,
Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein, dass der Wolf die Großmutter gefressen haben könnte und sie noch zu retten wäre. Er schoß nicht, sondern nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden.
Wie er ein paar Schnitte getan hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief:
Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum atmen.
Ende gut
Rotkäppchen aber holte geschwind große Steine. Die legten sie dem Wolf in den Leib und nähten ihn wieder zu. Als er wieder aufwachte, wollte er fortspringen, doch die Steine waren so schwer, dass er gleich niedersank und in den Tod stürzte.
Da waren alle drei vergnügt. Der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und ging damit heim, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Rotkäppchen gebracht hatte, und erholte sich wieder, Rotkäppchen aber dachte:
---
Es wird auch erzählt, dass einmal, als Rotkäppchen der alten Großmutter wieder Gebackenes brachte, ein anderer Wolf ihm zugesprochen und es vom Wege habe ableiten wollen. Rotkäppchen aber hütete sich und ging gerade fort seines Wegs und sagte der Großmutter, dass es dem bösen Wolf begegnet wäre, der ihm guten Tag gewünscht, aber dabei so böse aus den Augen angeguckt hätte:
sagte die Großmutter,
Bald hernach klopfte der Wolf an und rief:
Sie schwiegen aber still und machten die Türe nicht auf: da schlich der Graukopf etliche male um das Haus, sprang endlich aufs Dach und wollte warten, bis Rotkäppchen abends nach Haus ginge. Dann wollte er ihr nachschleichen und in der Dunkelheit fressen. Aber die Großmutter merkte, was er im Sinn hatte. Nun stand vor dem Haus ein großer Steintrog, da sprach sie zu dem Kind:
Rotkäppchen schüttete so lange, bis der große, große Trog ganz voll war. Da stieg der Geruch der Würste dem Wolf in die Nase. Er schnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, dass er sich nicht mehr halten konnte und zu rutschen anfing: so rutschte er das Dach herab, gerade in den großen Trog hinein und ertrank. Das Rotkäppchen aber ging vergnügt nach Hause und niemand tat ihm etwas zuleide.