Autor: Johann Wilhelm Wolf
Es war einmal ein König, der war sehr krank. Alle Ärzte kamen darin überein, dass er nur zu retten sei, wenn er den Vogel Phönix singen hörte.
Der König hatte aber drei Söhne, die rief er vor sich und sprach zu ihnen:
Da zogen sie alle drei aus. Sie blieben zusammen, bis sie an einen Baum kamen, der an einem Kreuzwege stand. In den Baum schnitten sie alle drei ihre Namen hinein und verabredeten, dass wer zuerst zurückkehre, der solle an dem Baum warten, bis die andern kämen, damit sie alle zusammen zu ihrem Vater heim ziehen könnten. Dann ging jeder seines Wegs.
Als der erste ein Stück gegangen war, begegnete ihm ein Bär, der fragte ihn:
sprach der Prinz und zog seines Wegs weiter. Der Bär brummte und ließ ihn gehn. Der zweite war noch nicht weit, als ihm derselbe Bär begegnete und ihn fragte:
sagte der Prinz, ließ den Bären stehn und ging seines Wegs weiter. Der Bär brummte etwas in den Bart und ließ ihn laufen. Dem dritten, welcher der Jüngste war, begegnete der Bär ebenfalls und fragte auch ihn:
Da antwortete der Jüngling:
sprach der Bär,
Das tat er und der Bär fing an zu laufen. So schnell war er, dass dem Jüngling fast Hören und Sehen verging. So lief er zwölf ganzer Stunden und kam gegen die Mitte der Nacht in einer schönen Stadt an. Da blieb der Bär stehn und sprach:
Der Prinz tat, wie der Bär gesagt hatte. Er suchte sich am folgenden Morgen einen Dienst im Schloß und das Glück wollte ihm wohl und er wurde zum untersten Käfigputzer im Vogelhaus ernannt. Weil er aber seinen Dienst sehr gut versah, so rückte er schnell vorwärts und bekam immer höhere Stellen, bis er endlich nach dem Tode des obersten Vogelrats zum ersten Vogelrah ernannt wurde.
Da dachte er, es sei nun Zeit, den Vogel Phönix zu rauben. Als der König einmal auf der Jagd war, da ging er in das Vogelhaus, um sein Vorhaben auszuführen. Als er aber den schönen Vogel schon in der Hand hatte, da meinte er, der hölzerne Bauer sei doch zu schlecht, ein so kostbares Thier müsse auch in einem kostbaren Käfig wohnen. Er nahm einen der prächtigsten goldenen Käfige, setzte den Vogel hinein und floh mit ihm.
Kaum war er aber vor dem Tor, als der Vogel Phönix anfing, aus Leibeskräften zu schreien, als sei ihm einer mit einem Messer am Halse. Da liefen die Schloßdiener alle zusammen. Prinz Ferdinand wurde gefaßt und ins Gefängnis geworfen. Da hatte er Zeit, über seinen tollen Streich nachzusinnen! Er bereute ihn aus Herzensgrund und rief ein über das anderemal:
Da stand plötzlich der Bär vor ihm und machte ihm Vorwürfe über seinen Ungehorsam. Ferdinand bat ihn, er möge es doch verzeihen und ihm noch einmal helfen, er wolle es ja nicht wieder tun und ihm in allen Stücken folgen.
sprach der Bär.
Das tat Ferdinand, der König wars zufrieden und der Prinz wurde losgelassen. Als er vor das Tor des Schlosses kam, stand der Bär schon da. Ferdinand setzte sich auf seinen Rücken und fort gings, wie der Sturmwind so schnell und wieder zwölf Stunden lang ohne Aufhören weiter.
Da standen sie vor einer anderen Stadt, die war noch größer und schöner als die erste. Es war aber halbe Nacht, als sie ankamen. Da stieg Ferdinand von des Bären Rücken und der sprach:
Der Prinz ging in das Schloß, verdingte sich als Knecht und stieg von Stelle zu Stelle, bis er der Kammerherr der Prinzessinnen wurde.
Da dachte er, jetzt sei es Zeit, die Schönste unter der Sonne zu rauben. Er drang Nachts in ihr Zimmer, nahm sie auf seinen Arm und wollte mit ihr weggehen. Da fiel das Licht der Nachtlampe auf ihr holdseliges Gesicht und es tat dem Prinzen leid, dass das schöne Mädchen so schlecht angezogen sei. Er ging hin und nahm sich prächtige goldene und silberne Kleider, die in Menge an der Wand hingen, zog die der Prinzessin an und wollte fliehen. Indem erwachte aber die Schönste unter der Sonne, und als sie sich in den Armen des Kammerherrn fand, schrie sie laut auf.
Alsbald kamen ihre Schwestern und der König und die Königin, die in dem Zimmer daneben schliefen. Der Prinz wurde wieder gefangen und in einen tiefen Turm geworfen. Nun wo das Kind ertrunken war, hätte er gerne den Brunnen zugedeckt, aber das war zu spät.
rief er,
rief der Bär, der im selben Augenblicke vor ihm stand.
Der Prinz tat, wie gesagt, und der König sprach, das solle ein Wort sein und gab ihn frei. Vor dem Tor des Schlosses stand der Bär schon wieder und der Prinz setzte sich auf seinen Rücken und fort gings, schneller als eine Kugel fliegen kann.
Als sie zwölf Stunden älter waren, standen sie gegen Mitternacht vor einer Stadt, die war zweimal so groß als die vorige. Da sprach der Bär:
Ferdinand versprach alles, was der Bär haben wollte, ging in die Stadt und suchte am folgenden Morgen Dienst beim König. Der hatte aber gerade einen Stalljungen nötig und der Prinz ließ sich den Dienst schon gefallen. Er war auch so fleißig und fegte den Stall so schön rein, dass ihn der König bald darauf zum Stallmeister machte und da war er weit genug.
Eines Abends, wo der König gerade ein großes Gastmahl hielt, ging er in den Stall und band das schnellste Pferd los. Als er aber den hölzernen Sattel auf dem schönen Tier sah, dachte er wieder, das sei doch Jammer und Schande. Der König habe noch goldene Sättel genug und zudem könne das Pferd ja nicht sprechen. Er band den hölzernen Sattel ab und schnallte einen goldenen auf. Kaum war er aber mit dem Pferde vor der Tür, da machte es mannshohe Sprünge und schrie:
Und da lief gleich das ganze Schloß zusammen. Der Prinz wurde gepackt und in den Turm gesperrt. Das hatte er nun davon. Er fing aber sein altes Spiel wieder an und weinte und rief:
aber der Bär hatte sich Baumwolle in die Ohren gestopft und wollte nichts hören. Als Ferdinand nun die ganze Nacht und den ganzen Tag hindurch lamentirt hatte, da stand der Bär wieder vor ihm und sagte unwirsch:
Da fiel Ferdinand dem Bären um den Hals und sprach:
sprach der Bär und wollte gehen. Aber der Prinz weinte so jämmerlich, dass es der gute Bär nicht übers Herz bringen konnte und sagte:
Da ward Ferdinand wieder froh und dankte dem guten Bären aus Herzensgrund. Als er am folgenden Tag vor Gericht kam, tat er, wie der Bär ihn geheißen und es ging gut, denn der König hätte schon lange gern den kostbarsten Stein gehabt und ließ ihn darum gerne los. Vorm Schloß aber erwartete der Bär ihn, der Prinz setzte sich auf seinen Rücken und weg war er.
Nachdem sie sich zwölf Stunden lang Bewegung gemacht hatten, hielt der Bär vor einem hohen Berge an und sprach:
Ferdinand gelobte, dem Bären in allen Stücken zu folgen. Einige Augenblicke später öffnete sich die Höhle und er ging hinein. Da kam zuerst ein Löwe auf ihn zugestürzt, aber er ließ sich das nicht anfechten und der Löwe lief an ihm vorbei. Dann kamen Tiger, Wölfe, Bären und allerlei Ungeheuer, aber er ging seines Wegs weiter bis an das hölzerne Stühlchen. Da nahm er den kostbarsten Stein und stekte ihn schnell in die Tasche. Jetzt wollte er eilends wieder zurück, aber da lagen überall auf seinem Wege so viele Edelsteine, dass er der Versuchung nicht widerstehn konnte und sich immer wieder bückte und alle Taschen vollstopfte. So war er bis fast an den Eingang der Höhle gekommen und da lag noch ein großer Haufen der schönsten Edelsteine. Als er sich aber hinzu bückte, bekam er von unsichtbarer Hand eine so gewaltige Ohrfeige, dass er bis fünfzig Schritt vor die Höhle flog und ohnmächtig liegen blieb. Als er erwachte, saß der Bär neben ihm und sprach:
Das tat der Prinz und der Bär trug ihn zurück bis zum Schloß. Da ging Ferdinand hinein und gab dem Könige die Edelsteine. Der König übergab ihm dafür das Pferd und der Prinz flog darauf wie ein Pfeil durch die Luft und zu dem König, unter dessen Töchtern die Schönste unter der Sonne war. Als er vor dem Königsschloß ankam, ließ er sein Pferd draußen stehn, trat hinein und sprach:
Da freute sich der König und kam mit seiner ganzen Familie heraus. Die Töchter standen zu seiner Seite auf dem Schloßhof. Ferdinand sprang auf das schnellste Pferd und ritt mit ihm an dem König vorbei und zu den Prinzessinnen, die es streichelten und liebkosten.
Als aber die Schönste unter der Sonne das auch tun wollte und ganz nahe bei dem Pferde stand, da faßte Ferdinand sie schnell, hob sie zu sich auf das Roß. Fort waren sie und der König hatte das Nachsehen. Anfangs sträubte sich die Prinzessin gegen Ferdinand. Als er ihr aber sagte, wie lieb er sie habe, gab sie sich zufrieden und sagte, sie wollte keinen anderen Mann, als ihn.
So kamen sie zu dem König, der den Vogel Phönix hatte und waren schon miteinander eins, wie sie es machen wollten, um zusammen zu bleiben. Sie ritten vor des Königs Schloß und als der sie kaum sah, eilte er gleich heraus und begrüßte sie freundlich. Da übergab ihm Ferdinand die Schönste unter der Sonne und bekam den Vogel Phönix dafür. Kaum hatte er ihn aber, da sprang die Schönste unter der Sonne herauf zu ihm auf das schnellste Pferd. Er aber sprach:
und weg waren sie. Als sie ein Stück Wegs weiter waren, begegnete ihnen der Bär und der sprach:
Ferdinand versprachs, bedankte sich bei dem Bären und ritt weiter in Lust und Vergnügen, denn er hatte ja auch alles, was er sich nur wünschen konnte: die Schönste unter der Sonne, Edelsteine von unermeßlichem Wert, das schnellste Pferd und den Vogel Phönix, wodurch er das ganze Königreich seines Vaters erhielt. So gelangte er an den Baum und sah an den Namen, dass noch keiner seiner Brüder zurückgekehrt sei. Weil es aber ein so sehr heißer Tag war, übermannte ihn die Müdigkeit und er wollte sich schlafen legen.
sprach die Schönste unter der Sonne.
sagte er, und legte sich hin. Als er aber so da lag, kamen seine Brüder zurück, die hatten gar nichts mit zurückgebracht und waren bettelarm. Als sie ihn sahen und den Vogel Phönix bei ihm und das schöne Pferd und die Schönste unter der Sonne neben ihm, da fraß der Neid in ihr Herz. Sie nahmen ihm alles und banden ihn und warfen ihn in eine Löwengrube. Dann teilten sie die Dinge unter sich und zogen heim und brachten ihrem Vater den Vogel Phönix.
Unterdessen lag Ferdinand in der Löwengrube und wußte jetzt, was das Schlafengehen auf sich hatte. Keine Rippe war ihm mehr ganz am Leibe.
rief er, und da stand der Bär im selben Augenblick oben an der Löwengrube und sprach heimlich mit den heimkehrenden Löwen, sie sollten dem Prinzen nichts tuun. Dann rief er hinab:
Da wurde es Ferdinand kalt und heiß und er rief:
sagte der Bär und tat, als ob er fortgehn wollte. Aber er tat es doch nicht, und als Ferdinand wieder recht bat, ließ er sich erweichen, brachte ihm Speise und Trank und verpflegte ihn, so dass er in Zeit von vier Wochen wieder gesund wurde.
Dann setzte sich Ferdinand auf seinen Rücken und der Bär eilte fort mit ihm bis an das Schloß, wo Ferdinands Vater wohnte. Da setzte er ihn ab und sprach:
Da ging Ferdinand hinein und fragte, ob kein Dienst frei sei?
sagte der Schloßmeister.
sprach Ferdinand, und ging mit ihm in den Stall. Da stand das schnellste Pferd und ließ den Kopf hängen und war ganz mager und hager, denn es hatte noch gar nichts fressen wollen. Als Ferdinand es sah, ging er zu ihm, streichelte es und sprach mit ihm. Kaum hörte das Tier seine Stimme, als es lustig sprang und fraß und ganz munter wurde.
Das wunderte den Schloßmeister und er ging zum König, der noch immer krank war, und erzählte es ihm.
sprach der König. Da führte der Schloßmeister den Prinzen zu ihm. Der König erkannte ihn nicht, weil Ferdinand so sehr bleich und abgezehrt aussah. Aber er sprach zu ihm:
Da ging Ferdinand zu dem Vogel Phönix und sagte:
Und da fing der Vogel an so wunderschön zu singen, dass der König aus dem Bett sprang und ganz gesund war. Dann ging der Prinz auch zur Schönsten unter der Sonne und sprach:
Da fing die Schönste unter der Sonne an und erzählte alles. Als der König hörte, dass der Stallknecht sein jüngster Sohn sei, fiel er ihm um den Hals und da war seiner Freude kein Ende.
sprach der König.
sprach Ferdinand. Da wurden sie alsbald des Landes verwiesen. Ferdinand aber hielt Hochzeit mit der Schönsten unter der Sonne und bekam das ganze Königreich. Nach einiger Zeit schenkte ihm seine Frau ein sehr schönes Söhnchen und da fehlte ihm nichts mehr zu seinem Glück.
Als er nun eines Tages mit ihr und dem Kinde am Fenster stand, da sahen sie in der Ferne den Bären kommen. Ferdinand hatte darüber große Freude, ging ihm bis in den Schloßhof entgegen und führte ihn herauf und ließ eine köstliche Mahlzeit anrichten. Der Bär aber sprach:
sprach Ferdinand.
fragte der Bär, und das wurde ihm fest versprochen.
sprach der Bär,
Da meinte Ferdinand und seine Frau, die Erde täte sich vor ihnen auf. Sie fielen dem Bären zu Füßen und baten ihn, doch etwas anderes zu wünschen, aber der Bär blieb bei seinem Begehren.
sprach Ferdinand,
und seine Frau stimmte unter Tränen ein. Da holte er das Kind und legte es auf den Tisch, wandte die Augen ab und hob das Schwert. Aber im selben Augenblick fiel dem Bären die Haut ab und er stand als ein schöner Prinz da.
sprach er, und da hatten sie alle erst rechte Freude, und um so mehr, je größer ihr Herzeleid gewesen war. Der Prinz blieb noch einige Tage bei ihnen, dann ging er nach Haus, verkaufte sein Königreich, kam bald wieder und baute sich ein großes Schloß neben dem von Ferdinand, und da lebten sie in Frieden und Einigkeit und da kam eine Maus und das Mährlein ist aus.